Wo wild Gestrüpp sich grünend reiht,
Auf jener Stell‘ dort oben,
Hat sich in grauer alter Zeit
Die Rüdenburg erhoben.
Schon in der alten grauen Zeit
Ist Spuk und Zauberwesen –
So ging die Sage weit und breit –
Auf dieser Burg gewesen.
Einst hauste auf der Rüdenburg
Ein Ritter, wild, verwegen;
Die Wälder Tag‘ und Nächte durch
Hat jagend er durchzogen.
Als einst der Rüdenburger da
Zur Nachtzeit kehrt‘ zurücke
Von langer Jagd, da zeigt sich nah
Ein Fremdling seinem Blicke.
Schwarz wie die Nacht war sein Gewand,
Rot seine Ritterbinde;
Er fragte, wo er hier zu Land
Des Weges Richtung finde.
Ihm sprach der Rüdenburger zu:
„Die Nacht ist nicht geheuer
Nach meinem Schlosse folge du,
Du bist als Gast mir teuer. „
S
o bringt er ein den schwarzen Gast,
Bringt ihn zur Tafelrunde,
Und fröhlich wird die Nacht durchpraßt
Bis zu der zwölften Stunde.
Wie diese schlägt und alles weicht
Und sinkt in Schlafesbanden,
Der Gast nochmal den Becher neigt,
Vom Sitze schnell erstanden.
Und Flammen aus des Bechers Grund
Umsprudeln seine Lippen,
Die Feuergluten schlürft sein Mund
Mit langsam frohem Nippen.
Drauf wirft er weit den Becher hin,
Es spritzen Feuerstrahlen –
,,Erkenne,“ spricht er, ,, wer ich bin,
Mit Dank werd‘ ich dir zahlen!“
Und Rüdenburg erblaßte schier
Beim gräßlichen Erschauen,
Entschlüpfen wollt‘ er durch die Tür,
Doch fest hält ihn das Grauen.
,, Gastfreundschaft, “ hob der Schwane an,
,, Wird drunten selbst geachtet,
Dein Feind zieht bald mit Macht heran,
Der nach dem Blut dir trachtet.“
Wenn alles dir verloren ist,
So komm‘ ich, dich zu retten –
Leb‘ wohl auf eine kurze Frist,
Dann spreng‘ ich deine Ketten.“
Der Monde wenig schwanden nur
Seit jenem Satansfeste,
Da zog heran durch Wald und Flur
Der Feind um diese Veste.
Und wilder Kampf erhob sich bald
Rings um die Burg mit Brausen,
Dem Sturmwind gleich im Eichenwald,
So Speer und ffeile sausen.
Und fallen mußt‘ die Rüdenburg
Beim nächsten Morgenfichte,
Schon brach der Feind die Mauer durch
Mit stürmenden Gewichte.
Da schritt zur Nacht aus hohem Saal
Der Vater zum Gemache
Der Tochter hin mit scharfem Stahl
Und rief· ,,Mathild“ erwache!
Verloren sind wir allzumal,
Dein Vater, deine Brüder,
Wir stürzen in der Mörder Stahl
Und sinken rächend nieder.
Dann soll der Feinde wilde Brut
Den edlen Stamm nicht schänden
Deshalb verspritze jetzt dein Blut
Und stirb von Vaters Händen.“
Jetzt! – jetzt – erfolgt der Todesstoß;
Doch eh‘ es war geschehen,
Durch seinen Arm ein Zauber floß,
Gleich wie des Blitzstrahls Wehen.
Das Schwert sank aus gelähmter Hand,
Und eine Feuersäule
Aus einem Becher hell erstand
Dort auf dem Tisch mit Eile.
Der Rüdenburger sprach allda:
Er will sein Wort mir halten –
Du Schrecklicher? du bist schon nah
Im nächtlich dunklen Walten.
Und als der Morgen aufwärts floß,
War einer Brücke Bogen
Von Rüdenburg nach Amsbergs Schloß
Hoch über’s Tal gezogen.
Und Rüdenburg erstaunte blaß,
Als er das Wunder schaute,
Färbt auch die Furcht die Wangen blaß,
Wenn’s gleich dem Herzen graute –
So trat er doch mit festem Schritt
Jetzt auf die Teufelsbrücke,
Er führt am Arm Mathilde mit,
Es schwindelt ihrem Blicke.
Die Söhne folgen und der Rest
Der Treuen, die noch leben,
Gewaffnet blank, gedrängt und fest
Sie wie die Wolken schweben.
Da kam ein fremder Rittersmann
Den Berg herabgestiegen –
,,Folgt mir schnell zu der Burg hinan,
Durch mich sollt ihr jetzt siegen.
Dem Feind folgt rasch auf seiner Bahn
Fest steht der Brücke Bogen,
Gleich ihm langt ihr auf Amsburg an,
Wo er ist hingezogen.
Die stolze Amsburg fällt alsdann
In eure Siegerhände.“
Nun stürmen sie den Berg hinan,
Dem Fremdling nach behende.
Bis auf die Mitte sind gerennt
Die Tapfersten jetzt alle –
Da kracht die Brücke, reißt und brennt
Mit einem Donnerknalle.
Sie stürzen nieder in ihr Grab,
Die Schar der kühnen Fechter,
Und von der Rüdenburg herab
Schallt teuflisch‘ Hohngelächter.
Und durch das Tal ertönet weit
Die Sterbeklang‘ voll Trauer –
Ein Ritter steht im schwarzen Kleid
Hoch auf des Schlosses Mauer
Auf Rüdenburg – und ruft herab,
Den Arm emporgehoben:
,,Die Feinde liegen jetzt im Grab,
Sind schnell wie Spreu zerstoben.
Gasifreundschaft ist kein leerer Wahn,
Wird drunter selbst geehret!“
Der Stimme Echo hat alsdann
Man rings umher gehöret.
So tönt die alte Sage noch
Von jener Zauberbrücke,
Die längst die Zeit mit Nacht umzog,
Als Traumbild zeigt dem Blicke.