Einst als der Edle vom Rüdenberge von einer wilden Jagd heimkehrt, begegnet ihm im Dunkel des Waldes ein rabenschwarz gekleideter Fremdling, der vorgibt, des Weges unkundig zu sein. Der Edelherr nimmt ihn mit auf sein Schloss. Am Abend kreiset fröhlich der Becher; doch um die zwölfte Stunde erhebt sich der Gast und mit der Verheißung „Gastfreiheit wird drunten selbst geachtet“ verlässt er den Saal und die überraschten Zecher. Laut dröhnt sein Schritt durch die einsamen Hallen der Burg. Nun hat bald nachher die Rüdenburg einen schweren Angriff zu bestehen. In bittere Thränen bricht das Burgfräulein aus; denn in der Feme weilt der edle Bräutigam, der tapfere Graf vom Schlosse dort drüben. Der verzweifelte Graf schickt sich in dunkler Nacht an, der Tochter das Leben zu nehmen, um sie vor Schande zu bewahren. Da dringt ein eigentümliches Geräusch zu seinen Ohren, dass der Dolch seiner Hand entsinkt; man hört ein Hämmern und Rollen, ein Knattern und Pochen, und hundert Licht ein glimmen. Und beim Morgengrauen sieht man eine lederne Brücke von einem Schlosse zum anderen gezogen. Der Edelherr und seine Tochter wagen die Flucht auf schwindlichem Pfade, die Besatzung der Burg folgt nach. Und schon sind alle im Arnsberger Schlosse geborgen, da dringt der Feind, der inzwischen das Burgtor erbrochen hat, den Flüchtigen nach. Als aber die Schar auf der Brücke Mitte ist, da ertönt ein furchtbares Krachen, und ein höllisches Hohngelächter schallt von der Zinne der Alten Burg; die Brücke reißt, und die Feinde stürzen in die furchtbare Tiefe .

Lederne Brücke – Fotomontage von Jochem Ottersbach